Der blog geht baden …

Die ganze Welt verreist. Oma und Opa nach Bad Aussee, die Lise fliegt mit der prallen Lotte und einer ebenso prall gefüllten Geldbörse Richtung Samos, die Eltern von der Lindsey treffen sich mit den Keviniasten im Bibionischen Aquapark und August reist samt Gattin und Nachwuchs Gedeon ins Salzburgerische. Nimmt man doch den Schnürlregen gerne in Kauf – schließlich ist er österreichisch. Und so ein richtig einheimisches Regenwolkerl hat schon was.

Das Chaos, das in weiten Teilen unserer Welt herrscht, die Tatsache, dass sich sechs Millionen Menschen auf der Flucht befinden, ist erschreckend, unfassbar und für unser Hirn wohl nicht in seiner ganzen, ja nicht einmal in einem Bruchteil seiner Dimension erfassbar. Die Urlaubsplanung hingegen schon.

Übersichtlich, verlockend und appetitlich wird uns der Trip in die Ferne serviert. Viele Monate vor Reiseantritt wird nach Last Minute Angeboten gegiert, um schließlich glücklich der Illusion zu unterliegen, ein Special Offer in Form eines korrigierten Preises ergattert zu haben. Enter, Kreditkarte und ein dreiviertel Jahr später schleppen wir uns gen Norden, Süden, Osten oder Westen. Von Klagenfurt bis Kasachstan, von St. Pölten bis St. Petersburg, von Bratislava bis Bolivien. Nichts ist sicher vor den mit Schalenkoffer oder Tramperrucksack bewaffneten, behuteten Gestalten, die sich auf Bahnhöfen, Flughäfen oder Autobahnraststätten tummeln.

Je nach Alter, Ideologie und Mentalität ist das Spektrum des sich Bietenden um ein Vielfaches breiter als der physikalisch bewiesene visuelle Bereich. Von Ultraviolett bis Infrarot? Mitnichten. Von Schantall, tu doch mal die Omma winken bis Ich werde mich selbst finden, indem ich drei Wochen auf jegliche Hygiene verzichte trifft man alles. Die einen will man nicht hören, die anderen nicht riechen. Natürlich in der Annahme, man selbst sei der oder die einzig Normale unter einer Fülle von Fremdlingen.

Warum ich das alles weiß? Nun, weil auch ich, selbstverständlich als einzig Normale, hie und da dazu neige, meinem Geist eine Auszeit zu gönnen. Da dieser nur in Verbindung mit meinem Körper agiert, sitzt dieser heuer ein paar Stunden im Flieger und genießt das urlaubende Volk. Und jedes Mal, beim Betrachten der Spezies Mensch auf Reisen, bin ich davon überzeugt, es handle sich um eine optische und vor allem akustische Täuschung. Deshalb, und nur deshalb, ein paar Zeilen vom Äquator, weil ich, wie ich finde, bei meiner Anreise besonders belohnt wurde, mit Schmankerln aus dem Reich des Aberwitzes.

Nicht nur das Flugticket wird heuer online gebucht, auch das Einchecken samt Sitzplatzreservierung per Mausklick möglich. Ergattert wird also ein Gangplatz, zwecks Beinfreiheit und schnellem Gang zur örtlichen Wischerlstation, nicht genau über den Tragflügeln, zwecks Ausblick bzw. Überblick, möglichst weit vorne, zwecks halbwegs schnellem Erbeuten der kulinarischen Köstlichkeiten inklusive Plastikbesteck, das allerdings, wie sich bald herausstellen sollte, nicht gereicht wird, da beim Buchen dieser Okkasion die No Food Klausel übersehen wurde. Nichtsahnend, hungrig und in freudiger Erwartung, dass auch diesmal das dreieckige Keramikschüsserl vom Herrn Lauda bzw. Niki wieder den Weg ins Handgepäck finden wird, betrete ich gut gelaunt das umweltverpestende Luftfahrzeug, begrüße den Steward mit einem Hola, während er mir ein wenig echauffiert ein Buenos Dias entgegenwirft, suche 8D, finde 8D und darauf einen grinsenden Spanier. Oh, ah, … spanisches Gestammel meinerseits, spanisches Grinsen seinerseits, heftiges Armgewinke beiderseits, Deuten auf seine kleine Tochter neben ihm und die augenklimpernde Gattin am Fenster. Ob es mir was ausmache, mit ihm den Platz zu tauschen. Der befinde sich quasi eh gleich daneben, ein Mittelplatz! Sechs treuherzige dunkelbraune Augen blicken mich an und ich vernehme ein Gracias ihrerseits und ein De nada! meinerseits. Allgemeines Hin- und Hergewurschtle, abermaliges Grinsen und ein Hineinzwängen auf 8B. Aus dem ich mich allerdings gleich wieder erheben muss, sind doch die Gäste von 8A und 8C eingetroffen. Wohlweislich, zusammen! Ein wohlgeformtes, lesbisches Paar, von dem die pagenkopfige Hälfte das Fenster, die Kurzhaarfrisur den Gang bevorzugt, lässt sich neben mir nieder. Mein dezentes Angebot, ich könne doch mit 8C tauschen, was meinen Kopf aus der tschechischen Kommunikationslinie bringen würde, wird mit einer Art Englisch dankend abgelehnt. Frau wolle nicht in der Mitte sitzen, da sei es so eng, werde aber durchaus versuchen den Redefluss in Grenzen zu halten. Na dann.

Nun halte ich mich weder für fettleibig noch kriege ich hysterische Angstzustände in beengten Räumen, als jedoch 7B die Sitzlehne zurückklappt, um sich einem kleinen Nickerchen, das sich als fünfstündiger Tiefschlaf entpuppt, hinzugeben, kann ich mich dem Aufkommen eines gewissen klaustrophobischen Angstzustandes nicht entziehen. Es folgt der Griff zu den Rescue Kaubonbons, und das nicht nur um durch stetige Bewegung der Mundmuskulatur den Ohrendruck auszugleichen. Mit einer Überdosis an Bachblüten und keinerlei Sichtkontakt mit Steward bzw. dreieckigem Salatschüsserl, schwebe ich nach fünf Stunden Flugzeit nicht nur physisch über den Wolken.

Aber es ist Urlaub, und Gelassenheit ist das Credo. Also sehe ich das Ausbleiben der lukullischen Gaumenfreude als Balsam für den Leib. Aufgrund des beneidenswerten Schlafverhaltens meines Vordermannes hätte sich Salatdressing samt Dreiecksschüsserl ohnehin in meinem Ausschnitt wiedergefunden. Das Beiwohnen einer durchaus regen Konversation in einer mir völlig unbekannten indogermanischen Sprache als Balsam für den Geist. Weiß ich doch jetzt immerhin was Speibsackerl auf Tschechisch heißt.

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